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Erfolgreicher Journalismus im Social Web: Nutzen Sie mehr Funktionen!

Social-Media-Profi Mandy Schamber zeigt in diesem Auszug aus ihrem Buch „Newsfluence! Ein Ratgeber für erfolgreichen Journalismus im Social Web“ (2023), wie Sie auf verschiedenen Social-Media-Plattformen neue Funktionen austesten und dadurch Ihre Reichweite ausbauen können.

Jedes Medium wirkt anders! Das eine stellt Wortbeiträge in den Vordergrund, das andere Kurzvideos. Wollen Sie auf Instagram, Linkedin oder Twitter erfolgreich aktiv sein, sollten Sie im Vorfeld prüfen, welche Funktionen wichtig sind und diese dann auch nutzen. Auf Instagram fliegen nun einmal keine Bilder mehr. Wenn Sie hier loslegen wollen, müssen Sie Kurzvideos posten. Auch mit Storys gewinnen Sie in diesem Netzwerk keinen Blumentopf. Sie müssen sich wirklich überwinden, Videos zu teilen. Das ist definitiv nicht einfach, aber sofort von Erfolg gekrönt. Und Sie trainieren auf diese Weise, agil zu bleiben und sich von erfolglosen Routinen zu verabschieden.

In diesem Kapitel zeige ich Ihnen, wie es drei Journalist:innen in verschiedenen Medien geglückt ist, ihre Geschichten in neue Gefäße zu gießen und dabei organisch Reichweite auszubauen.

Die Journalistin und Gründerin Elisabeth Koblitz nutzt seit 2015 Instagram für ihre Berichterstattung und hat sich ein Konto mit 125 000 Followern [10] komplett organisch aufgebaut. Im „Horizont“-Podcast Newsfluence! erzählte sie, dass sie neue Funktionen als Strohhalm nutze, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und neue Leser:innen kennenzulernen. Sie setze beispielsweise deswegen Reels ein, weil ihr Newskanal ohne diese vom Algorithmus favorisierte Funktion mittlerweile nicht weiterwachsen könne.[11]

Gut zu wissen

Reels sind auf Instagram das Sprungbrett zu neuen Followern, da die App in der Suche mehr Videos als Bilder zum Anschauen und Kennenlernen neuer Profile vorschlägt. Es gibt für Kurzvideos auch einen eigenen Suchbereich, der prominent in der Mitte der unteren Menüleiste platziert ist. Sogar bei der Bildersuche werden Kurzvideos vorgeschlagen und das häufiger als Fotos. Schritt für Schritt mausert sich Instagram von einer Fotoplattform zu einer Video-App und reagiert mit der von Tiktok kopierten Beitragsform auf das von Teenagern favorisierte Nutzungserlebnis in sozialen Medien, um jüngere Zielgruppen zu erschließen. Sie können mit einem Blick in Ihre Insights gern meine These überprüfen. Vergleichen Sie dafür die Performance eines beliebigen Fotos in Ihrem Feed mit der eines veröffentlichten Reels. Die Insights finden Sie unter jedem Posting. Sie werden sehen, dass das Verhältnis von Abonnent:innen zu Nicht-Abonnent:innen von der Beitragsart abhängig ist. Bilder werden eher von Ihren Followern gesehen und Kurzvideos von Nicht-Followern. Wollen Sie auf Instagram wachsen, müssen Sie in Ihre Social-Media-Kommunikation Kurzvideos integrieren.

Screenshot einer Instagram-Story von Elisabeth Koblitz [12]

Nutzen der verschiedenen Beitragsarten auf Instagram:

■ Reels locken Nicht-Follower in Ihr Profil.

■ Fotos und Karusselle[13] machen aus Nicht-Followern Follower.

■ Und Storys helfen, den Kontakt mit Followern aufrechtzuerhalten.

Elisabeth Koblitz weiß genau, wofür sich ihre Follower und Abonnent:innen des Newsletters „Facts & Feeling“ interessieren, weil sie mit ihnen über Instagram ins Gespräch geht und nachfragt. In Storys setzt sie Umfragesticker ein und erfährt innerhalb von 24 Stunden ganz ohne ein kostspieliges Marktforschungsinstitut, welche Themen ihre Follower beschäftigen und welche Rubriken sie bevorzugen. Dadurch bleibt Koblitz relevant für ihre Community und kann weiter problemlos organisch wachsen.

Antonia Götsch vom „Harvard Business Manager“ ist auf Linkedin mehrmals wöchentlich aktiv und veröffentlicht auf dieser Plattform den Newsletter „Lean Forward“. Sie haben richtig gelesen, Götsch teilt auf Linkedin nicht, wie man vermuten könnte, einen Beitrag darüber, dass ihr neuer Newsletter online ist. Sie publiziert ihn stattdessen direkt auf der Plattform. Immer wenn die Journalistin die nächste Ausgabe hochlädt, landet der Newsletter im E-Mail-Postfach ihrer Abonnent:innen; zudem werden sie über eine Push-Mitteilung über das Erscheinen der neuesten Ausgabe informiert. Antonia Götsch bietet denselben Newsletter auch den Leser:innen des „Harvard Business Manager“ an. Das heißt, in ihrem Linkedin-Newsletter zweitverwertet sie ihre bereits produzierten Inhalte und muss keine neuen erstellen.

Warum Götsch den Newsletter auch auf Linkedin veröffentlicht? Weil ihre Leser:innen dort mit ihr diskutieren können und sie wertvolles Feedback zu ihren Themen und Ansichten erhält. Wie Koblitz lernt sie so ihre Leser:innen besser kennen und intensiviert ihre Beziehung zu ihnen. Das wirkt sich positiv auf ihren Ruf und den ihrer Medienmarke aus.

Die Erstellung von Linkedin-Newslettern braucht nicht allzu viel Zeit und ist für alle User kostenfrei möglich, wenn sie in ihrem Konto den Creator-Modus einschalten. Dann wählen Sie die Beitragsart „Artikel erstellen“ aus, klicken oben rechts den Button „Newsletter erstellen“ an und zack, können Sie loslegen!

Auch die Linkedin-Funktion „Umfrage“ fördert den Austausch mit Kontakten auf dem Businessnetzwerk. Sie ermöglicht es, Informationen und Meinungen ohne umständlichen Prozess und in Echtzeit auszutauschen und die eigene Leserschaft besser kennenzulernen.

Mit Linkedin-Umfragen können Sie Ihre Sichtbarkeit mit relativ geringem Aufwand erhöhen, weil der einfache Abstimmungsmechanismus viele Kontakte zum Voten verlockt und viele Stimmen vom Algorithmus als viele Reaktionen interpretiert werden. Dadurch wird die Umfrage häufiger im Newsfeed ausgespielt und sammelt weiter fleißig Votings ein. Über diese Beitragsart erfahren Sie, wie Ihr Netzwerk tickt, Sie erhöhen Ihre Reichweite und haben neuen Stoff für Ihre Geschichten.

Linkedin-Umfrage der „Lebensmittel Zeitung“ [14]

Bevor wir uns anschauen, wie Sie Ihre Berichterstattung mithilfe fester Formate strukturieren und bei Ihrem Publikum Lesegewohnheiten etablieren, werfen wir noch einen Blick auf Twitter (Anm. der Red.X“), weil dieser Kanal bisher [15] äußerst praktisch für Recherchen war und sich für das Teilen von knackigen Meinungsstücken genauso wie für aufwendige Beiträge gut eignete. Sie müssen Ihre Reportagen und Porträts nicht in 280 Zeichen-Tweets verheizen, sondern können laut Klimajournalistin Sara Schurmann [16] mithilfe sogenannter Threads Ihre Berichterstattung aufmerksamkeitsstark im Newsfeed in die Länge ziehen. Threads sind mehrere aneinandergehängte Tweets; sie ermöglichen es Ihnen, eine Geschichte zur Geschichte zu veröffentlichen. Threads nehmen mehr Platz im Feed ein und sind dadurch sichtbarer, außerdem können Sie damit mehrere Aspekte Ihres Berichtes, zusammenhängend durch eine visuelle Klammer, auf Twitter („X“) veröffentlichen.

In der ersten Folge von Newsfluence! äußerte sich Martin Fehrensen, der Gründer und Herausgeber des wöchentlichen Paid-Newsletters „Social Media Watchblog“, zu den Vorteilen von Twitter. Der Kurznachrichtendienst eigne sich hervorragend für das Recherchieren von Interviewpartner:innen oder Themen, verschaffe Zugang zu aktuellen Informationen und liefere Impulse für die eigene Medienarbeit. Fehrensen empfahl, Werkzeuge wie TweetDeck für effiziente Recherchen einzusetzen. TweetDeck (mittlerweile „X Pro“) ist ein Dashboard, mit dem es gelingt, mehrere Profile oder Themen auf Twitter gleichzeitig und übersichtlich zu monitoren.

Auch Facebook kann für Ihre Berichterstattung noch funktionieren, wenn Sie zum Beispiel über Lokales mit starken Bildern und Teasern [17] berichten. Der Journalist und Berater für Social Media und Digital-Strategie Andreas Rickmann war im Gespräch der Meinung [18], dass lokale Inhalte auf Facebook weiterhin hohe Reichweiten und Website-Traffic generierten, sofern die Beiträge „Kopfkino erzeugen“ und bei Leser:innen Emotionen weckten. Rickmann wandte jedoch ein, dass Facebook zum Aufbau eines neuen Publikums nicht mehr geeignet sei; die Plattform ermögliche es jedoch, eine über die Jahre angesammelte große Followerschaft auf dem Laufenden zu halten.

Gut zu wissen

Auf Facebook können User neben einem Like auch ein Herz, ein Lachen, Überraschung, Trauer und Wut in Emoji-Form unter einem Beitrag vergeben. Für Publisher kann diese Palette an Reaktionen ein aufschlussreiches Stimmungsbarometer für gesellschaftliche Trends sein.

Seiten Sie mutig! Verschaffen Sie sich durch den gezielten Einsatz der richtigen Beitragsformen wie Reels, Umfragen oder Threads mehr Aufmerksamkeit. Dann laufen Ihre Beiträge nicht ins Leere und Sie werden gesehen und gehört. Bitte machen Sie sich auch Gedanken, welche Reaktion Sie mit Ihrem Beitrag bei Ihren Leser:innen erzeugen möchten, und laden Sie Ihr Publikum dazu ein, durch Emojis seine Meinung mitzuteilen!

Quellen und Anmerkungen:

[11] „Wie stärke ich durch Community Management auf Instagram die Beziehung zu meinen Leser:
innen, Elisabeth Koblitz?“, Newsfluence!, 14.03.2022

[12] Screenshot vom 21.03.2022

[13] Karusselle: In einem Beitrag können mehrere Bilder oder Videos gleichzeitig hochgeladen
werden. Die Nutzenden steuern die einzelnen Bilder durch Swipen nach links an. Profilinhaber:innen haben durch Karusselle die Möglichkeit, verschiedene Eindrücke innerhalb eines Beitrags zu teilen und Nutzende länger zum Verweilen einzuladen.

[14] Screenshot einer Linkedin-Umfrage der „Lebensmittel Zeitung“ vom 01.02.2023, gesichtet am 03.02.2023

[15] Seitdem Elon Musk Twitter im Oktober 2022 übernommen hat, wird die Plattform für Werbekund:innen und Nutzende immer unattraktiver (Entlassung Tausender Mitarbeitender, Freischaltung gesperrter Konten, neue, unattraktive Funktionen usw.).

[16] Siehe hierzu: „Warum wird Klima oft als politisches Thema missverstanden, Sara Schurmann?“,
Newsfluence!, 07.11.2022

[17] Im Newsfluence!-Podcast hatte ich das Vergnügen, von der Journalistin, Beraterin und Autorin Anne-Kathrin Gerstlauer Tipps für Social-Media-freundliche Texte zu bekommen: „Warum funktioniert Teaser-Journalismus nicht in sozialen Medien, Anne-Kathrin Gerstlauer?“, 29.05.2022. Wie Texte online für mehr Aufmerksamkeit und Lesefreundlichkeit aufgebaut werden, erklärt sie zudem immer montags in ihrem Newsletter „TextHacks“.

[18] Siehe hierzu: „Warum sollten Lokaljournalisten Facebook auf ihrer Social-Media-Klaviatur nicht löschen, Andreas Rickmann?“, Newsfluence!, 25.07.2022

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch Newsfluence! Ein Ratgeber für erfolgreichen Journalismus im Social Webdas 2023 bei der dfv Mediengruppe (Fachbuch) erschienen ist.

Die Autorin Mandy Schamber  ist Social-Media-Beraterin bei der dfv Mediengruppe in Frankfurt am Main und Trainerin an der Akademie der Deutschen Medien in München. 2022 produzierte sie gemeinsam mit der Chefredakteurin der Branchenzeitung „Horizont“ Eva-Maria Schmidt 20 Episoden des Podcasts Newsfluence!, in dem Medienprofis wie Sascha Lobo, Amelie Marie Weber, Antonia Götsch und Tom Klein darüber sprechen, wie erfolgreicher Social-Media-Journalismus auf Tiktok, Linkedin, Facebook, Twitter und Instagram funktioniert.

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