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„Glaubwürdigkeit ist unser größtes Kapital und unsere wichtigste Existenzgrundlage“

Interview mit dem Fotografen, Kurator und Gründungsmitglied der Fotoagentur laif, Manfred Linke.

Die Kölner Fotoagentur laif steht als Marke seit über 40 Jahren für „Fotografie mit Haltung und Verantwortung“ und zählt heute zu den renommiertesten Bildagenturen Deutschlands. 2022 wurde zudem die laif Genossenschaft gegründet, die nun die Agentur sowie ein weiteres Tochterunternehmen, die laif Foundation gGmbH, unter ihrem Dach vereint. Die Stiftung hat ihre Heimat im Publix-Haus in Berlin-Neukölln gefunden.

Manfred Linke, Gründungsmitglied der laif Agentur und Vorstandsmitglied in der Genossenschaft, spricht im Fachjournalist über Meilensteine in der Geschichte der Agentur, den Mehrwert der laif-community für einzelne Bildjournalistinnen und BIldjournalisten und aktuelle Trends im Fotojournalismus.

Was ist das Besondere an der Agentur laif? Warum sollte es sie geben und was waren die größten Erfolge?

Die Agentur laif habe ich vor 44 Jahren zusammen mit drei weiteren Bildjournalisten als unabhängiges Fotografenbüro gegründet. Die Idee war, Synergien zu bündeln, eine gemeinsame Infrastruktur und Ressourcen zu teilen, Erfahrungen auszutauschen und über unsere fotografischen Arbeiten zu diskutieren. Das war der Anfang und die Motivation zu diesem ungewöhnlichen Zusammenschluss, aus dem dann bald die Fotoagentur laif hervorging. Statt Konkurrenz stand das gemeinsame, verbindende „Fotograf:innenkollektiv“ im Mittelpunkt.

laif war damals Teil der politischen Protestbewegung und zugleich dokumentierten wir sie. Im Lauf der Jahre entfernten wir uns von der reinen Dokumentation und der seinerzeit aktivistisch motivierten Fotografie, hin zur Autor:innenfotografie. Dieser Begriff wurde von Klaus Honnef geprägt: Er meinte damit eine Haltung, die Fotograf:innen sowohl in freien als auch in Auftragsarbeiten zeigen können. Es ist diese Autorenleistung, die laif bis heute ausmacht.

Mit mehr als 300 Fotograf:innen aus den Bereichen der Dokumentar-, Reise- und Porträtfotografie und etlichen weltweiten Partneragenturen ist laif heute zwar kein Kollektiv mehr, aber eine der renommiertesten Bildagenturen Deutschlands für Fotojournalismus. Die Gemeinschaft wird dabei weiterhin mit regelmäßigen Fotograf:innentreffen und Gruppenprojekten gepflegt.

So entstand auch im Jahr 2021, zum 40-jährigen Jubiläum der Agentur, die Gruppenausstellung „40 Jahre laif – 40 Positionen dokumentarische Fotografie“. Die Ausstellung bietet einen Einblick in die langjährige Arbeit von laif, umfasst vier Jahrzehnte Zeitgeschichte und zeigt, wie sich die fotografische Ästhetik und Arbeitsweisen verändert haben.

2015 haben wir uns neu strukturiert, um den Fortbestand zu sichern. 2021 wurde die Agentur verkauft und 2022, gemeinsam mit rund 300 Fotograf:innen und Unterstützer:innen aus privatwirtschaftlicher Hand zurückgekauft, um laif wieder unabhängig zu machen und uns für alternative und faire Honorierung und Finanzierungsmodelle sowie die Weiterentwicklung am Gemeinwohl orientierter journalistischer Angebote einzusetzen.

Einblicke in Zeitgeschichte und Fotografie über vier Jahrzehnte: Die Ausstellung „40 Jahre laif – 40 Positionen dokumentarische Fotografie“ wurde u.a. 2022 im Museum für Angewandte Kunst  Köln (MAKK) gezeigt.

In einem weiteren Schritt haben wir die gemeinnützige laif foundation gGmbH gegründet, die Fotojournalimus und Medienkompetenz für eine informierte Gesellschaft und eine starke Demokratie fördert.

So befinden sich nun unter dem Dach der laif Genossenschaft die laif Agentur für Fotos und Reportagen GmbH und die gemeinnützige laif Foundation gGmbH.

Die Agentur laif ist Teil des Publix-Netzwerks, in dem auch junge Menschen lernen, selbst Medien zu gestalten. Was hat Sie bewogen, daran teilzunehmen und welche Vorteile sehen Sie insbesondere für Fotojournalisten?

Im Mai letzten Jahres sind wir mit der laif Foundation in Berlin ins Publix-Haus eingezogen, eine neue Heimat für alle, die Journalismus machen, Öffentlichkeit gestalten und die Demokratie stärken.

Das Publix-Haus in Berlin wurde von der Schöpflin Stiftung initiiert und gebaut, um den investigativen Journalismus zu stärken und auch der Öffentlichkeit den hohen Wert seriöser Medienarbeit zu vermitteln. Publix stellt eine exzellente Infrastruktur für redaktionelle und zivilgesellschaftliche Arbeit zur Verfügung und knüpft ein Netzwerk von Menschen, die an Zukunftsfragen für Journalismus und Demokratie arbeiten.

Man trifft dort also nicht nur auf Medienschaffende, sondern auch auf wichtige Netzwerke wie Correctiv oder Reporter ohne Grenzen, Good News, Netzwerk Recherche und viele andere, die für ihre gute Recherchearbeit oder unabhängige, journalistische Haltung bekannt geworden sind.

So haben wir in der Foundation den bundesweiten Fotowettbewerb „Jugend fotografiert Deutschland“ ausgelobt, mit dem Ziel der Förderung von Medienkompetenz und Demokratie. So soll jungen Menschen durch praktische Arbeiten die Bedeutung des Fotojournalismus nahegebracht werden.

Auch die Idee für unser jüngstes Pop-up Festival „Zeigen was ist“ im Hamburger Jupiter, einem Gebäude der

Das von der laif foundation organisierte Pop-up Festival „Zeigen, was ist“ fand mit Ausstellungen, Vorträgen, Screenings, Aktionen und Raum für Begegnungen und Gedankenaustausch im November 2024 im Hamburger Kreativzentrum Jupiter statt. Foto: Jörg Modrow.

Hamburger Kreativgesellschaft, ist im Publix Haus entstanden.

Gibt es thematische oder regionale Schwerpunkte bei laif? Nur Editorial oder auch Industrie?

Unser Schwerpunkt ist der Fotojournalismus, die Dokumentar- und Portraitfotografie. Aber natürlich sind unsere Fotografen:innen auch im Bereich Corporate unterwegs. Das ist einfach eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Selbst Magnum-Fotografen arbeiten heute aus kommerziellen Gründen für große Unternehmen.

laif beliefert Medienkunden passgenau mit teils preisgekrönten Bildern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Große Unternehmen, Verbände und Stiftungen setzen bei ihren Fotoshootings auf die Kompetenz und Internationalität der Agentur.

Unter unseren Fotograf:innen befinden sich viele World Press Photo- und Pulitzer-Preisträger:innen. Darüber hinaus ist laif mittlerweile eingebunden in ein dichtes internationales Netzwerk aus 40 Partneragenturen, die ihre Bilder auf dem gesamten Globus vertreten. Die exklusive Vertretung der Bilder der New York Times oder der Société du Figaro im deutschsprachigen Raum ist unser Alleinstellungsmerkmal.

KI ist weiter auf dem Vormarsch und verändert auch die Bilderbranche rasant. Wie steht laif zu dieser Entwicklung? Gibt es ein FacXtchecking bei den Bildern Ihrer Fotografen?

Wir sind keine KI-Gegner, aber in der fotojournalistischen Berichterstattung und der Dokumentarfotografie hat KI unserer Meinung nach keine Berechtigung und nichts zu suchen. Künstliche Intelligenz verwischt die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge und macht die Verbreitung von Desinformationen zu einem Kinderspiel.

Uns geht es um die Glaubwürdigkeit unserer Agentur und der Fotojournalist:innen, denn die Glaubwürdigkeit ist unser größtes Kapital und unsere wichtigste Existenzgrundlage. Fotograf:innen, Agenturen und Redaktionen sind gefordert, dafür Regeln zu entwickeln, eine Art „Selbstverpflichtung“, um so die Authentizität von Dokumentarbildern zu erhalten und zu garantieren.

Außerdem sehen wir, wie ausschließlich profitorientierte Social-Media-Unternehmen zunehmend die Informationsverbreitung – weitgehend ohne nachvollziehbare ethische oder redaktionelle Standards – ansteuern. Die Gefahr nimmt zu, dass Journalismus und eben auch Fotojournalismus nur noch rein mainstream-getrieben praktiziert wird. Dadurch geht unserer Demokratie Stück für Stück die „Vierte Gewalt“ verloren. Auch deshalb haben wir als Genossenschaft die gemeinnützige laif Foundation gegründet.

Nur mit einer starken Genossenschaft, als Dach unserer Community, ermöglichen wir den laif Fotograf:innen, weiterhin unabhängig und mit der visuellen Kraft ihrer Fotos Geschichten zu erzählen. Damit liefern wir einen wichtigen Beitrag, um der Welt zu zeigen, wie sie ist.

Internationale Agenturen wie NOOR oder die VII Foundation bieten globale Seminare, Livestreams und Workshops an. Welche Art Weiterbildungen oder Workshops können Fotografen und Interessierte bei laif buchen?

Heute stehen Vermarktungsmodelle wie Ausstellung, Bücher, Events, Vorträge, Seminare in der Wertigkeit weit vor der eigentlichen Print-Veröffentlichung.

Deshalb ist es wichtig, neue Strukturen zu schaffen, die unsere fotografische Kompetenz und große Erfahrung betonen und Zugänge zu neuen Märkten schaffen können. Wir probieren dazu aktuell immer noch sehr viel aus. Aber Seminare zu den Themen Bewegtbild oder Entwicklung eigener Fotobücher werden bei laif bereits stark nachgefragt.

Unser Ziel ist, mit der Agentur und der gemeinnützigen Foundation als Plattform alternative Finanzierungsmodelle für unsere Fotograf:innen zu entwickeln. Dabei spielen Workshops künftig eine tragende Rolle, nicht zuletzt auch um den sinkenden Lizenzmodellen entgegenzuwirken und die Fotograf:innen gewinnorientiert zu beschäftigen.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert des Fotojournalismus in der heutigen Zeit? Erkennen Sie Trends oder eine neue Art der visuellen Kommunikation?

Viele unserer Fotograf:innen sind preisgekrönte Bildjournalist:innen. Unsere Ausstellung „40 Jahre laif –Dokumentarfotografie in Deutschland“ lief über Jahre sehr erfolgreich auch im In- und Ausland, wurde insgesamt von mehr als 25.000 Besucher:innen gesehen.

Unsere Anfänge liegen in der Dokumentation von Protestbewegungen wie Wackersdorf oder Brokdorf, in der alten Bundesrepublik. Seitdem ist sehr viel passiert. Unsere Bilder liefern dabei eine Art ungeschönten Rückblick auf das deutsche Zeitgeschehen bis hin zur Gegenwart.

Die Jubiläumsausstellung war gedacht als Hommage an die Presse- und Meinungsfreiheit, an die Herkunft der Agentur und ihre analogen Anfänge sowie an die Renaissance des Zeitungsformats im Kontext junger, moderner Ausstellungsformen. Für den Katalog zur Ausstellung wurden wir übrigens 2023 beim Wettbewerb „Deutscher Fotobuchpreis“ ausgezeichnet.

Da Medieninhalte weitestgehend als digitale Daten vorliegen, sind auch die Möglichkeiten von disziplinübergreifenden Präsentationen um ein Vielfaches gewachsen. Das ist für viele Fotograf:innen nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine große Chance, eine neue Art der visuellen Kommunikation zu entwickeln.

Von der einfachen Textnachricht über Musik- und Videostreaming sowie Sprachassistenten bis zur virtuellen 3-D-Erfahrung, der Virtual Reality: Digitale Medientechnologien sind interdisziplinäre Technologien, die in nahezu allen Bereichen Anwendung finden. Aus dem „Rohmaterial“ Bild entstehen zum Beispiel durch „remixen“ der einzelnen Elemente neue Formen der Ausstellungspräsentation.

Was macht für Sie ein gutes Foto aus?

Ein gutes Bild muss mich emotional berühren, mich unter Umständen betroffen machen und mir eine Geschichte erzählen.

Gute Reportagefotos zeichnen sich für mich auch durch ihre Nähe aus, die die Fotograf:innen zu ihren Protagonisten aufbauen konnten. Vertrauen ist also ein ganz wichtiges Handwerkszeug unter Bildjournalist:innen, aber auch die Fähigkeit, neue Blickwinkel zu erschaffen.

Dazu ist oft viel Vorarbeit mit Recherche und Gesprächen erforderlich, was man den Fotos nicht unbedingt vordergründig ansieht. Eine laif-Fotograf:innengruppe hatte beispielsweise ohne Redaktionsauftrag die Flutkatastrophe im Ahrtal dokumentiert. Sie hat dabei den ganzen Prozess vom ersten Tag an mit der Kamera begleitet und ist mit den Menschen in Kontakt getreten. Das waren am Ende ganz andere Bilder als die in der aktuellen Berichterstattung veröffentlichten Fotos, viel näher dran, intensiver und sehr erfolgreich.

Wie können sich interessierte Fotografen um eine Mitgliedschaft bewerben? Was sind die Vorteile bei laif?

Fotografinnen und Fotografen, die sich bei der Fotoagentur laif bewerben möchten, schreiben am besten eine E-Mail mit Portfolio an die Geschäftsführung der Agentur und bitten um ein persönliches Gespräch zum Kennenlernen. Andere Gelegenheiten zur Kontaktaufnahme ergeben sich auf Fotofestivals wie in Perpignan oder Arles, auch dort ist laif präsent. Über eine mögliche Aufnahme entscheidet dann die Agenturleitung. Die Fotograf:innen stellen der Agentur nach erfolgter Aufnahme ihr komplettes Archivmaterial zur Verfügung, den Rest regelt der Markt.

Wer Mitglied der Genossenschaft der Fotograf:innen werden möchte, zahlt einmalig eine Einlage von mindestens 1.000 Euro – das sind zehn Anteile à 100 Euro. Ratenzahlung ist möglich. Diese Einlage kann in 100 Euro Schritten erhöht werden. Damit ist man stimmberechtigtes Mitglied der laif Genossenschaft und Miteigentümer:in der laif Agentur und der laif Foundation. Übrigens, jeder kann Mitglied werden, nicht nur Fotografinnen oder Fotografen. Und auch Spenden sind willkommen.

Interview: Ralf Falbe.

Titelillustration: Esther Schaarhüls.

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).


Foto: Archiv laif Agentur für Fotos und Reportagen.

Manfred Linke arbeitet als freier Fotograf und Kurator und ist Gründungsmitglied der 1981 ins Leben gerufenen Fotoagentur laif, agentur für photos und reportagen. Seine Arbeiten aus den 1980er- und 1990er-Jahren über die politischen Bewegungen und die Protestkultur der Bundesrepublik bilden Zeitgeschichte und die Entwicklung der dokumentarischen Fotografie ab. Später dokumentierte er mehr als zehn Jahre die Entwicklung des brasilianischen Projektes „POEMA“ (Armut und Umwelt in Amazonien). Er erhielt zudem 1996 den World Press Award, ist Gründungsmitglied des Verbands Freelens e. V., Mitglied in der VG Bild-Kunst und berufenes Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) – dort 2016 bis 2024 im Vorstand der Sektion Bild. Gemeinsam mit Kolleg:innen gründete er 2022 die laif Genossenschaft der Fotograf:innen, in der er aktuell als Mitglied des Vorstands ehrenamtlich tätig ist.

 

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