Das Ende der „Sportschau“ nur verschoben?
Kritische Bestandsaufnahme zu Siegern und Verlierern bei der aktuellen Vergabe der Übertragungsrechte an Spielen der Fußball-Bundesliga.
Jahrelang zog die Karawane der TV-Sportjournalisten von Sender zu Sender, je nachdem, welches Medienunternehmen gerade welche Rechte zur Übertragung von Fußballspielen erwerben konnte. Eine derartige Reporter-Wanderung ist nach dem aktuellen Verkauf der Bundesliga-Sendelizenzen eher nicht zu erwarten. Dazu ändert sich im Vergleich zu der noch laufenden Rechteperiode zu wenig – zumindest auf den ersten Blick. Aber die redaktionellen Tücken stecken wie so oft in den Details. Und manch ein Fußball-Fachjournalist wird sich vielleicht doch über einen Senderwechsel schon jetzt Gedanken machen.
Für 4,484 Milliarden Euro hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) am 5. Dezember im zweiten Anlauf – nach dem gescheiterten Versuch im April – die Übertragungslizenzen der 2.468 Spiele der 1. und 2. Bundesliga für den Zeitraum 2025/26 bis 2028/29 an verschiedene TV-Sender und Streaming-Anbieter verkauft. Das sind 1,121 Milliarden Euro pro Saison und entspricht 21 Millionen Euro mehr pro Spielzeit, als der noch laufende Kontrakt einbringt. Der bislang zweithöchste Deal der TV-Rechte-Vermarktung stellt gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession ein sehr gutes Ergebnis dar, weshalb die Funktionäre der 36 Proficlubs die Verhandlungsführung der DFL in den vergangenen Tagen sehr gelobt haben. Auch Sender, die die Rechte erworben haben, bemühen sich, die jeweils bezahlten Summen als Erfolgsgeschichte zu verkaufen.
Doch der Geldschein trügt bisweilen. Denn die horrenden Investments in den Fußball lassen sich seit Jahrzehnten nicht adäquat refinanzieren. Schon 1997 konstatierte der damalige RTL-Fußball-Chefreporter und langjährige Top-Kommentator von Sky, Marcel Reif: „Die Verluste sind horrend, die jeder macht mit dem Fußball, jeder! Die Frage ist, haben wir uns alle gegenseitig hochgejazzt wie die Bekloppten und finden nicht den Schlüssel, diesen Motor wieder abzustellen“ (Reif zitiert nach N. N. 1997, S. 19). Damals wie heute muss die Antwort einsilbig und eindeutig ausfallen: Ja!
Direkte Konkurrenz verdirbt das Geschäft der Abo-Sender
Zu den Hauptfinanziers des Profifußballs gehört der Pay-TV-Kanal Sky, der seit 1991 – damals noch unter dem Sendernamen Premiere – Live-Spiele der Bundesliga überträgt. Der 2016 gegründete Streaming-Anbieter DAZN zeigt seit der Saison 2019/20 Partien der höchsten deutschen Spielklasse. Die Übertragungen der Live-Spiele teilen sich also diese beiden Abo-Sender. Und das bleibt auch so bis 2029.
Was oberflächlich betrachtet wie das Ergebnis eines schiedlich-friedlichen Nachfragewettbewerbs aussieht, ist letztlich das Resultat eines harten Kampfes im Bieterverfahren mit herben Blessuren auf beiden Seiten. Sky behält zwar die Live-Spiele am Samstagnachmittag sowie das Top-Spiel am Samstagabend und bekommt neu sogar die Rechte für das Freitagabendspiel. Dafür verliert der Sender aber seine ureigene Erfindung, nämlich die vom Radio adaptierte und reichweitenstarke Konferenzschaltung. Diese hat sich nun DAZN gesichert. Der Streaming-Anbieter überträgt auch weiter die Sonntagsspiele, verliert dafür aber die Freitagspartie an Sky.
Jenseits dieser programmlichen Verschiebungen dürfte für DAZN noch schwerer wiegen, dass die Streaming-Plattform im April dieses Jahres zwar mit 400 Millionen Euro pro Saison das mit Abstand höchste Angebot für die Übertragung der Samstags-Live-Spiele abgab und eigentlich den Zuschlag hätte bekommen müssen. Da man aber eine von der DFL geforderte Bankbürgschaft nicht rechtzeitig beibringen konnte, wurde das Ausschreibungsverfahren gestoppt und landete vor einem Schiedsgericht, das eine neue Auktion anordnete. DAZN wähnte das werthaltigste Produkt schon im eigenen Sportrechteportfolio und verlor es dann doch wieder an Sky.
Geringe Möglichkeiten der Refinanzierung
Die größte Herausforderung für beide Abo-Sender dürfte jedoch darin bestehen, das jeweilige Investment von geschätzt rund 400 Millionen Euro pro Spielzeit zu refinanzieren. Die hochgradige Kommerzialisierung des Profifußballs als Folge unaufhörlich steigender Gehaltsforderungen von Spielern und ihren Beratern hat die TV-Rechte-Preise in prohibitive Höhen bzw. ruinöse Tiefen getrieben. Die Insolvenz der Kirch-Gruppe im Jahr 2002 war ein erster Pleite-Beweis. Und das Aussteigen des Pay-TV-Kanals Arena, der im Jahr 2007 bereits nach einer Saison die eigentlich für drei Jahre eingekauften Live-Rechte mangels adäquater Quoten wieder aufgeben musste, war ein zweiter eindrucksvoller Beleg für die Konkursgefahr nach Erwerb von Fußball-Übertragungslizenzen.
Auch für Sky und DAZN ist Fußball ein Zuschussgeschäft. Die Verluste von Sky gleicht der amerikanische Kabelnetzbetreiber Comcast aus, der verschiedentlich, doch bislang vergeblich versucht haben soll, den 2018 erworbenen Pay-TV-Kanal aus München-Unterföhring wieder loszuwerden. Und DAZN wäre ohne die jährlichen Investitionen von Len Blavatnik, einem ukrainisch-stämmigen amerikanischen Oligarchen, vermutlich auch schon wieder weg vom Senderfenster.
Trotz der inhabergestützten Alimentationen haben beide Kanäle die Abo-Preise immer wieder erhöhen müssen. Und die Fußballfans werden auch zur neuen Saison tiefer in die Tasche greifen müssen, wenn sie auf dem einen oder dem anderen oder sogar auf beiden Kanälen die Liga live erleben wollen.
Eine weitere Möglichkeit, wirtschaftlich kaum vertretbare Investitionen abzufedern, liegt im Bereich der Personalkosten. Das dürfte zwar die Top-Moderatoren und Top-Kommentatoren, wie Sebastian Hellmann und Wolff Fuss bei Sky oder Laura Wontorra und Marco Hagemann bei DAZN, kaum (be)treffen. Aber gilt das auch für die zweite und dritte Reihe des On-Air-Personals? Und was passiert bei Beitragsmachern und Ablaufredakteuren?
„Attraktivität durch Exklusivität“
Viele Medienexperten sind sich einig: Fußball ist für Sky und DAZN ein Milliardengrab. Aber richtig ist auch: Ohne Fußball wären beide Sender schon längst tot.
Denn die Erfolgsformel im Pay-Bereich lautet seit Jahrzehnten: „Attraktivität durch Exklusivität“ (Schaffrath 1999, S. 79). Demzufolge hätten die Abo-Kanäle die größten Überlebenschancen, wenn die Bundesliga komplett aus dem Free-TV verschwinden würde. Das ist in anderen europäischen Fußballkernmärkten wie beispielsweise in England längst der Fall. In Deutschland traut sich die DFL diesen Schritt (noch) nicht, obwohl es ökonomisch geboten wäre und irgendwann so kommen wird.
ARD-Sportschau und ZDF-Sportstudio bleiben noch im Spiel
Aktuell hat die DFL nochmals eine zeitnahe und zusammenfassende Nachberichterstattung ausgeschrieben, die sich wieder ARD und ZDF sichern konnten. Damit bleiben die seit den 1960er-Jahren bestehenden Traditionssendungen Sportschau und Sportstudio bis 2029 erst einmal erhalten.
Das dürfte bei den Fußballjournalisten beider Redaktionen für große Erleichterung sorgen, weil man so zumindest auf Sicht persönliche Planungssicherheit besitzt. Aber für die Zeit danach ist das keinesfalls gesichert. Schon während des laufenden Vergabeverfahrens in diesem Jahr wurde immer wieder von einigen Tageszeitungs-Kollegen spekuliert, ob der Liga-Fußball nicht komplett ins öffentlich-rechtliche Abseits gestellt werden müsste. Das wäre nicht nur legitim, sondern sogar legal. Denn gemäß Paragraf 13 des Medienstaatsvertrags gehört die Bundesliga nicht zu jenen gesellschaftlich hochkarätigen Ereignissen, die im Free-TV gezeigt werden müssen – anders als zum Beispiel Länderspiele der Nationalelf oder bestimmte Partien bei Welt- oder Europameisterschaften. Was viele nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen: Es gibt kein Recht auf irgendwelche bewegten Bilder von der Fußball-Bundesliga im Fernsehen, weder in Form von Live-Übertragungen noch als Zusammenfassungen. Und Fußball ist auch nicht Bestandteil des sogenannten Grundversorgungsauftrags, den ARD und ZDF ebenfalls nach Medienstaatsvertrag (§ 26) erfüllen müssen.
Das bedeutet: Wenn die DFL den Pay-Anbietern als den Hauptfinanziers der Liga eine wirklich realistische Möglichkeit zur Refinanzierung ihrer Investments bieten muss, weil diese ansonsten aussteigen oder doch Konkurs anmelden müssten, dann wird die Bundesliga aus dem Free-TV-Bereich schneller verschwinden, als manchem Fußball-TV-Nostalgiker lieb sein dürfte. Denn dass ARD und ZDF die Liga noch einmal mit Gebührengeldern retten, wie das 2002 nach der Insolvenz der Kirch-Gruppe der Fall war, dies ist rund 20 Jahre später und mit Blick auf die aktuellen medienpolitischen Entscheidungen der Bundesländer hinsichtlich einer grundlegenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, bei denen auch Einsparungen der Sportbudgets vorgesehen sind, kaum vorstellbar. Mit anderen Worten: Das Aus der Sportschau und ein Ende des Sportstudios sind nur aufgeschoben, aber nicht aufgeboben.
Sport 1 verliert Zweitliga-Top-Spiel an RTL
Die größten Zukunftssorgen müssen sich die Fußball-Journalisten von Sport 1 machen, denn dieser Anbieter hat die Rechte am Top-Spiel der 2. Liga an RTL verloren. Damit drängt sich auch immer intensiver die Frage auf, ob die Lizenz als Sportspartensender noch eine seriöse Grundlage besitzt. Denn nur mit Dart, Snooker und Poker lässt sich ein solches Label kaum rechtfertigen. Dass Sport 1 die beliebte Fußball-Talkrunde Doppelpass am Sonntagmorgen im Programm behält, dürfte ein schwacher Trost sein. Unter dem neuen Anteilseigner, der türkischen Acunmedya-Gruppe, läuft der Senderumbau auf Hochtouren –, und zwar nach der Devise „Raus aus dem teuren Spitzensport und rein in sportähnliche Freizeitsport-Formate oder sogar sportfremde Unterhaltungsproduktionen“. Dazu passt, das Sport 1 seine Pay-TV-Plattformen Sport 1+ und eSportsOne an Sportdigital-TV verkaufen wird.
Als Gewinner der aktuellen Rechtevergabe darf sich RTL fühlen. Der Erwerb des Top-Spiels der 2. Liga am Samstagabend verspricht stabile Quoten im hohen sechsstelligen Bereich und je nach Paarung auch im Millionen-Sektor. Ein cleverer Schachzug des Kölner Privatsenders, dieses Rechtepaket zu erwerben. Denn solange Traditionsclubs wie Schalke 04, der 1. FC Köln, Hertha BSC, der Hamburger SV, der 1. FC Kaiserslautern oder der 1. FC Nürnberg die 2. Liga bereichern, gibt es aufgrund der großen Fanlager dieser Clubs durchaus realistische Chancen auf einen veritablen Return of Invest.
Dass die Bertelsmann Tochter RTL seit Sendebeginn 1984 stets einen sehr guten Riecher für werthaltige Sportrechte hatte und eine ausgezeichnete Antizipationsfähigkeit für sportmediale Vermarktungserfolge besitzt, konnte man über Jahrzehnte beobachten. Die Beispiele reichen von dem Erwerb von Senderechten im Tennis zu Boris Beckers und dem Kauf von Formel-1-Übertragungsrechten zu Michael Schumachers Zeiten über Boxkämpfe mit Henry Maske und Skispringen mit Sven Hannawald bis hin zum Kauf der Europa-League-Rechte beim Fußball im Jahr 2021.
Fazit und Ausblick
Der aktuelle Rechte-Deal im Bereich Fußball in Deutschland wirkt stabil. Vielleicht ist er das aber gar nicht. Wie fragil das Geschäftsfeld sein kann, zeigen jüngere Entwicklungen in Frankreich.
Lange Zeit avisierte die Ligue 1 auch eine Milliarde Euro pro Saison beim Verkauf der nationalen Lizenzen an. Doch die Zahlungsunfähigkeit des spanischen Medienunternehmens Mediapro, das im französischen Fußball Übertragungsrechte erworben hatte, ließ den Jahreserlös der Liga von 820 Millionen Euro zunächst auf rund 600 Millionen Euro und aktuell noch auf 500 Millionen Euro einbrechen. Nur durch einen Notfallplan und dank der Hilfe des französischen Senders Canal Plus konnte das Schlimmste, nämlich die Pleite vieler Vereine aufgrund wegbrechender Fernsehgelder, verhindert werden.
Für den deutschen Markt und die DFL sollte dies Warnung genug sein, die Preisschraube für Fußballrechte nicht unaufhörlich weiter zu drehen oder sich künftig Rechtepakete zu überlegen, die eine Refinanzierung der Lizenzkosten auch ermöglichen. Ein Immer-Mehr kann schnell zu weniger führen. Noch wirkt hierzulande alles stabil. Aber ob das auch so bleibt, wird man wissen, wenn die Rechte für die Spielzeiten ab 2029/30 vergeben werden.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).
Literatur:
N. N. (1997): Geheucheltes Gelaber. In Die Woche Nr. 43 vom 17.10.1997, S. 19.
Schaffrath, M. (1999): Free-TV, Pay-TV oder Pay-per-View. Fußballerische Televisionen und Vermarktungsoptionen. In Schaffrath, M. (Hrsg.): Die Zukunft der Bundesliga. Management und Marketing im Profifußball. Göttingen: Verlag Die Werkstatt.
Prof. Dr. Michael Schaffrath ist Leiter des Arbeitsbereichs Medien und Kommunikation des Departments Health and Sport Sciences der TU München. Vorherige wissenschaftliche Stationen: Deutsche Sporthochschule Köln, TU Dresden sowie die Universitäten in Lüneburg, Gießen und Koblenz-Landau. Schaffrath ist Herausgeber der Schriftenreihe „Sportpublizistik“ sowie der Sammelbände „Sport-PR und PR im Sport“ und „Traumberuf Sportjournalismus“. Er ist Autor von zehn Fachbüchern und rund 150 Aufsätzen zu Themen der Sportkommunikation. Kontakt: michael.schaffrath@tum.de