Glamour im Umbruch: Wohin bewegt sich der Modejournalismus?
Die Berichterstattung über Mode steckt seit dem digitalen Medienwandel in einer anhaltenden Krise, die bedeutsamer ist als generell angenommen. Aber daraus ergeben sich auch wertvolle Zukunftsperspektiven.
Ihre Titelbilder zeigen Frauen in meist extravaganten Outfits, Texte, Kommentare und Bildbeschreibungen drehen sich um Stil, Trends, Luxus und die meist farbenprächtigen Ausgaben umgibt ein schöner Schein. Über Jahrzehnte haben Modemagazine in dieser Aufmachung in den Auslagen von Kiosken und Zeitschriftenabteilungen ihre Wirkung entfaltet und ein großes, meist weibliches Publikum angelockt. Doch seit der Jahrtausendwende und vor allem in der vergangenen Dekade scheint die Zukunft der Modemagazine und des Modejournalismus ungewiss. Der digitale Medienwandel hat die Verkaufszahlen dieser Magazine, der vormals ersten Anlaufstelle für Berichterstattung über Mode, stetig schrumpfen lassen.
Der damit drohende Untergang der Modeberichterstattung wird seit Jahren punktuell thematisiert, allerdings nicht mit demselben Alarmismus, mit dem die noch relevantere Krise von Tages- und Wochenzeitungen bedacht wird. Dem liegt aber auch zugrunde, dass Modeberichterstattung häufig nicht als „wahrer“ Journalismus betrachtet wird und Modemagazine vielen kritischen Stimmen seit jeher als Produktkataloge gelten. Doch ein Blick in die Geschichte der Modemagazine ergibt ein differenzierteres Bild.
Vom Kupferstich zu Hochglanzabbildungen
Diese Geschichte reicht bis ins späte 17. Jahrhundert zurück, als die französische Gazette Mercure Gallant unter Führung von Redakteur Jean Donneau de Visé erstmals erschien und neben Poesie, Theaterkritiken und Klatschgeschichten über das Hofleben auch Illustrationen von französischen Modetrends zu bieten hatte. Mit der Entstehung der Textil- und Modeindustrie in europäischen Metropolen am Ende des 18. Jahrhunderts erschienen die ersten ausschließlich der Mode gewidmeten Magazine in Frankreich (Cabinet des Modes), Großbritannien (Gallery of Fashion), Italien (Giornale delle Dame e delle Mode di Francia) und auch in Deutschland (Journal des Luxus und der Moden).
Wurden die stilbildenden Kleidungstrends damals noch in Kupferstichen und Holztafeldrucken präsentiert, entwickelten sich im Verlauf der Jahrhunderte die Abbildungsverfahren weiter – von Illustrationen via Schablonendruck zu schließlich fotomechanischen Abbildungen, die einen regelrechten Boom an Modemagazinen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auslösten. Dabei waren vor allem die Ende des 19. Jahrhunderts gegründeten US-amerikanischen Zeitschriften Vogue und Harper’s Bazaar mit ihrer innovativen Gestaltung und dem Einsatz namhafter Fotografie-Künstler wie Man Ray, Erwin Blumenfeld und Irving Penn wegweisend.
Im Spannungsfeld zwischen Kultur und Konsum
In der Zeitschriftenforschung werden Modemagazinen Funktionen zugeschrieben, die weit über die Präsentation von aktuellen Trends und Trageweisen hinausgehen. So betrachtet Antje Krause-Wahl in ihrem Aufsatz „Modemagazin und Fashion Studies“ die Modezeitschrift als Medium, das „auf vielfache Weise Synergien mit Kunst“ eingehe, Rückschlüsse auf die historischen und gegenwärtigen Körper- und Subjektvorstellungen zulasse und eine Vision von Individualität vermittle, die auf dem Konsum von Waren und auch von Kunst als „Möglichkeit der Distinktion“ basiere.
Die Berichterstattung über Mode findet dabei innerhalb eines gewissen Spannungsverhältnisses zwischen Kunst und Kommerz, Kultur und Konsum statt. Denn Medien und Industrie gehen in diesem Bereich seit jeher eine Symbiose ein, wie Julie Bradford unverblümt in ihrem ausführlichen Handbuch „Fashion Journalism“ (2020) erläutert: „Die Beziehung zwischen den Modemedien und der Modeindustrie war schon immer viel enger als in den meisten anderen journalistischen Bereichen. Die Mode war ein Motor für die Verbreitung und Beliebtheit der frühen Zeitschriften, und ihre Rhythmen, Bedürfnisse und – ganz wichtig – ihre Werbung unterstützten lange Zeit die Printmedien.“
Eine Symbiose mit Tücken
Diese symbiotische Beziehung habe, so führt Bradford aus, auch Auswirkungen auf die Objektivität der Berichterstattung. Dies gilt vor allem für Modemagazine, die sich über die Anzeigen ebenjener Modehäuser finanzieren, über die sie berichten. Daher werde man in diesen Zeitschriften keine allzu kritischen Betrachtungen über Modeschauen finden – Kritik werde vielmehr durch Exklusion geübt, indem eine bestimmte Kollektion wenig oder gar nicht erwähnt werde. Anders verhält es sich im Moderessort von Tages- und Wochenzeitungen, die nicht in gleichem Maß von Modehäusern als Anzeigenkunden abhängen.
Eine langjährige und die wohl berühmteste Vertreterin von kritischer und sehr informierter Berichterstattung über Laufsteg-Trends ist die britische Modejournalistin Suzie Menkes. Nach Stationen bei der Times und dem Daily Express berichtete sie 25 Jahre lang, von 1988 bis 2013, für die International Herald Tribune von den Modeschauen in Paris, Mailand, New York und London. Dabei urteilte sie sehr deutlich über die Qualität und Innovation der dort präsentierten Kollektionen. Diese Klarheit brachte Menkes mitunter harte Konsequenzen ein, etwa 2001, als das Mode-Konglomerat LVMH (zu dem u. a. die Marken Louis Vuitton, Dior und Givenchy gehören) sie 2001 bei einigen Modeschauen auslud, nachdem sie es gewagt hatte, die neueste Dior-Kollektion in einem Artikel als „aggressiv“ zu beschreiben.
Digitalisierung und Demokratisierung
Nach einer letzten Station als internationale Online-Korrespondentin für die Vogue zog sich Menkes 2020 schließlich aus der Modeberichterstattung zurück. Gegenüber der NZZ monierte sie damals, es werde „immer schwieriger Kritik zu üben, weil die großen Marken so viel Macht besitzen“. Und tatsächlich hatte sich die Beziehung zwischen Modeindustrie und Modemedien im Verlauf der knapp drei Jahrzehnte von Menkes‘ Karriere erheblich verändert. Hatten Moderedakteure früher noch exklusiven Zugang zu halbjährlich stattfindenden Modeschauen kommender Kollektionen der großen Designer, öffneten diese mit Beginn der Digitalisierung nach und nach ihre Präsentationen einem größeren Publikum. So wurde 2010 mit Alexander McQueens Kollektion „Plato’s Atlantis“ die erste Modeschau via Live-Stream übertragen.
Wie Rebecca Halliday in ihrem Aufsatz „From newsreel to ‚see now, buy now‘“ im Buch „Documenting Fashion“ (S. 227-247) ausführt, sorgte die in den Folgejahren zunehmende Verbreitung solcher Live-Streams dafür, dass sich die Zeitspanne des Zugangs von Konsumierenden zu den Looks von sechs Monaten auf einen „Augenblick“ verkürzte. Durch diese bewusste „Demokratisierung“ des Modemarkts verloren die Modemagazine also neben ihrem exklusiven Zugang auch ihren zeitlichen Vorsprung für die Berichterstattung: Was an Trends kommen wird, konnten ihre potenziellen Leserinnen und Leser zeitgleich mit ihnen erfahren.
Anhaltender Trend: Abwanderung der Werbebudgets zu Social Media
Wie sollten also die monatlich erscheinenden Modemagazine die Aktualität und Exklusivität ihrer Trendberichterstattung noch wahren? Viele hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits Online-Präsenzen aufgebaut, doch die Magazinverkäufe und Anzeigenerlöse sanken im vergangenen Jahrzehnt kontinuierlich. Ursache war unter anderem, dass die großen Modemarken ihre Marketingbudgets zwar online, aber nicht unbedingt bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen investierten, sondern zunehmend in Social Media sowie in Influencer-Marketing.
Dies ist ein anhaltender Trend, der den gesamten Werbemarkt umspannt, wie die Prognose des Verbands Die Mediaagenturen für 2025 zeigt: Demnach werden in diesem Jahr vom gesamten geschätzten Werbebudget von 30,9 Milliarden Euro in Deutschland mehr als 50 Prozent auf die Digitalkonzerne Google, Meta, Amazon und TikTok entfallen. Print-Publikumszeitschriften werden hingegen bei den Werbeinvestitionen voraussichtlich ein Minus von 7 Prozent verbuchen. Im Sektor Mode kommt hinzu, dass Konzerne nicht nur über digitale Kanäle Werbung schalten, sondern diese inzwischen selbst eifrig für die direkte Ansprache ihrer Kundschaft nutzen. So erreichen Marken wie Louis Vuitton und Adidas über ihre eigenen TikTok-Kanäle inzwischen Millionen von Followern.
Diversifizierung und der Bruch mit Altbewährtem
Die durch die geschilderten Umbrüche entstandenen Folgen für Modemagazine sind immens – vor allem seit dem von der Corona-Pandemie geprägten Jahr 2020: Der Erscheinungsrhythmus einiger Modezeitschriften hat sich reduziert oder es wurde – wie im Fall der US-amerikanischen InStyle –gänzlich auf die Printausgabe verzichtet. Daher gibt es in den USA seit 2022 kein monatlich erscheinendes Modemagazin mehr. Nachrichten zu den Stellenstreichungen beim Lifestyle-Verlag Condé Nast, der unter anderem Vogue, Glamour und GQ herausbringt, haben auf eine Zeit der zusammenschrumpfenden und global zusammenrückenden Redaktionen eingestimmt. Um die ausbleibenden Anzeigenerlöse auszugleichen, greifen zudem immer mehr Modemedien, wie Julie Bradford in „Fashion Journalism“ darlegt, zur „Diversifizierung“: Dabei geht es etwa um Online-Stories, die um Affiliate Links herumgebaut werden, sowie im redaktionellen Stil gestaltete Fotostrecken und Videobeiträge, für die Modemarken direkt gezahlt haben – ein Verzweiflungsakt, wie die von Bradford zitierten Redakteure eingestehen.
Einige Magazine versuchen darüber hinaus, dem drohenden Bedeutungsverlust mit einem inhaltlichen Wandel zu begegnen. So bekannte sich die deutsche Vogue etwa zu einer politischeren Haltung, indem sie die Politikerin Aminata Touré, die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer oder auch die zu ihrer ostdeutschen Herkunft befragte Schauspielerin Sandra Hüller aufs Cover hievte. Zu dieser Politisierung der Magazine gehört auch, die lange Zeit darin propagierten Körper- und Schönheitsideale zu hinterfragen und für mehr Diversität einzustehen, was als mal mehr, mal weniger aufrichtig wahrgenommen wurde.
Dass es auch in Zeiten der Krise des Modejournalismus einen Bedarf nach fundierten Recherchen gibt, zeigt das Medium The Business of Fashion: Es wurde 2007 in Großbritannien von Imran Amed als Blog gegründet und ist inzwischen zum gefragten Online-Fachmedium über die Modeindustrie avanciert, das selbst kritisch über die Zukunft der Modeberichterstattung reflektiert. Eine weitere in jüngerer Zeit erstaunliche Entwicklung ist, dass die lange Zeit sehr an eine visuelle Darstellung gekoppelte Thematisierung von Mode sich in den Podcast-Bereich ausdehnt. Dies betrifft nicht nur Hörformate etablierter Medienmarken wie Vogue, sondern auch innovative Podcasts wie Fashion the Gaze, die sich im weiteren Sinn mit Modetrends auseinandersetzen und ihre Rückschlüsse in Beobachtungen zum Zeitgeist einfließen lassen.
Zukunftsthemen: Orientierung und Verantwortung in der Mode-Multikrise
Was im Podcast Fashion the Gaze häufig Thema ist, sind sogenannte Microtrends, die in den sozialen Medien schnell viral gehen und häufig ebenso schnell wieder passé sind. Das Aufkommen solcher flüchtigen Modemomente ist dabei auch als Konsequenz der in den vergangenen Jahrzehnten anhaltenden Beschleunigung der Modebranche zu betrachten. Denn in dieser geht es schon lange nicht mehr um halbjährlich stattfindende Modeschauen, sondern um das hochfrequente Produzieren von Produktneuheiten, die entsprechenden Überkonsum fördern. Billige und äußerst erfolgreiche Fast-Fashion-Handelsketten wie Shein stehen seit Jahren in der Kritik, in zunehmendem Maß zu wachsenden Müllbergen und schlechten Arbeitsbedingungen in von Armut geprägten Produktionsländern wie Bangladesch beizutragen. Zeitgleich durchlebt die Modebranche eine „Multikrise“, wie auf tagesschau.de vor Kurzem festgestellt wurde.
Diese Gemengelage an problematischen Entwicklungen in der Modeindustrie ist äußerst komplex und betrifft nicht nur kaufkräftige Modebegeisterte, sondern alle Kundenschichten. Dementsprechend ist das Thema Nachhaltigkeit aus Wirtschafts- und Modemedien kaum mehr wegzudenken. The Business of Fashion etwa hat „Sustainability“ ein eigenes Ressort gewidmet, dessen Korrespondentin Sarah Kent 2024 auf einer Veranstaltung des Reuters Institute zu globalem Journalismus die enorme Bedeutung von kritischer und informativer Berichterstattung über Nachhaltigkeit in der Modebranche hervorhob: „Es handelt sich um eine Multi-Billionen-Dollar-Industrie, die sich von den Rohstoffen über die Herstellung und Verarbeitung bis hin zu der Art und Weise erstreckt, wie wir leben und wie wir einkaufen. Sie hat also enorme Auswirkungen auf die Unternehmen und Menschen in der gesamten Lieferkette und sie verdient es, auf diese Weise thematisiert zu werden.“
„Let’s Shift the Fashion Narrative“ („Lasst uns das Modenarrativ ändern“) lautet der Aufruf der Vereinten Nationen innerhalb ihres auch der Eindämmung von Fast Fashion gewidmeten Umweltprogramms. Das zu diesem Zweck erarbeitete „Playbook“ ist an Modekommunikatoren wie Influencer und anderweitig Werbetreibende gerichtet, betrifft aber auch und in besonderem Maß die Modejournalistinnen und Modejournalisten der Gegenwart und Zukunft. Denn ohne eine fundierte, kritische Berichterstattung, die sich mit der Verantwortung von Industrie, Politik und Konsumierenden innerhalb des Modekreislaufs auseinandersetzt, wird ein Wandel kaum zu erreichen sein. Solcher Berichterstattung werden etablierte Mode- und Luxusgüterkonzerne zwar keine Anzeigen hinterherwerfen, aber sie dürfte auf ein zunehmend bewussteres Publikum treffen, das an Mode und verantwortungsvollem Konsum gleichermaßen interessiert ist.
Titelillustration: Esther Schaarhüls
Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV)
Literaturverzeichnis Print:
- Bradford, Julie (2020): Fashion Journalism. 2. Aufl. London: Routledge.
- Caoduro, Elena; Ulfssdotter, Boel (2023): Documenting Fashion. Edinburgh: Edinburgh University Press.
- Krause-Wahl, Antje (2022): „Modemagazin und Fashion Studies“ in: Handbuch Zeitschriftenforschung, Band 72 der Reihe Edition Medienwissenschaft. Bielefeld: transcript Verlag, S. 361-372.
- Noris, Alice; Cantoni, Lorenzo (2022): Digital Fashion Communication – An (Inter)cultural Perspective. Leiden / Boston: Brill Research Perspectives in Popular Culture.
Weiterführende Links:
- Prognosen des Zukunftsinstituts zur Modeindustrie zwischen Fast und Slow Fashion
- Eine Doku-Reihe der ARD zur anhaltenden Bedeutung von Mode
Die Autorin Dobrila Kontić hat Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK) studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin, Film- und Serienkritikerin in Berlin.