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Serienkritik zu „The Loudest Voice“: Ein Unruhestifter, eine Marktlücke, ein Desaster

Spannend, aber verkürzt: Die Mini-Serie The Loudest Voice erzählt, wie Roger Ailes den Fernsehnachrichtensender Fox News schuf und Amerika scheinbar im Alleingang ins Unheil stürzte.

Wann immer von der gegenwärtigen Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft die Rede ist und nach Ursachen gesucht wird, kommt man unversehens auf Fox News. Der 1996 gelaunchte 24-Stunden-Nachrichtenfernsehsender soll kritischen Stimmen zufolge nicht nur bewusst Liberale und Republikaner gegeneinander aufgebracht, sondern den Konservatismus in den USA deutlich weiter nach rechts gerückt haben. Unweigerlich führt die Suche nach einem Verantwortlichen dann zu ihm: Roger Ailes (1940 – 2017), einem versierten Fernsehproduzenten und politischen Berater, den Medienmogul Rupert Murdoch anwarb, um Fox News aufzubauen. Zwei Jahrzehnte lang steuerte Ailes anschließend den Fernsehsender, der 2002 an CNN vorbei zum Quotenführer aufstieg. Nach einer Klage wegen sexueller Belästigung und diesen Verdacht stützenden internen Ermittlungen (wie das Drama Bombshell 2019 darstellte), schied Ailes 2016 aus Fox News aus und verstarb im darauffolgenden Jahr.

Als „prägendste Medien- und Politikfigur seiner Generation“ und „modernen Citizen Kane“ bezeichnete der Journalist Gabriel Sherman ihn in seinem Nachruf. Eine bedeutsame Einschätzung, schließlich hatte Sherman 2011 eine enthüllende Biografie über Ailes herausgebracht: „The Loudest Voice in the Room“. Sechs Jahre lang hatte Sherman an diesem Buch gearbeitet, mehr als 600 Gesprächspartner interviewt und es schließlich mit einem vielsagenden Untertitel versehen: „How the Brilliant, Bombastic Roger Ailes Built Fox News – and Divided a Country“ („Wie der brillante, bombastische Roger Ailes Fox News aufbaute – und ein Land spaltete“). Das Buch diente als maßgebliche Vorlage für die 2019 erschienene Mini-Serie The Loudest Voice, die von Tom McCarthy (Regisseur von Spotlight) und Alex Metcalf (Drehbuchautor unter anderem von Mindhunter und Sharp Objects) kreiert wurde.

Gefährliche Marktlücke

In sieben je ein prägendes Jahr fokussierenden Episoden schildert The Loudest Voice Roger Ailes‘ Wirken als Senderchef von Fox News, offenbar getrieben von einem von immenser Wut gesteuerten Macht- und Geltungsdrang. Gespielt wird Roger Ailes von einem unter dem mächtigen Fatsuit und mit anmontierter Glatze kaum wiederzuerkennenden brillianten Russel Crowe.

Die erste Episode setzt im Jahr 1996 ein, als Ailes nach seinem Abgang vom Fernsehsender CNBC sein nachvertragliches Wettbewerbsverbot geschickt umgeht und kurz darauf bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Rupert Murdoch (Simon McBurney) die Gründung eines „unparteiischen“ 24-Stunden-Nachrichtenfernsehsenders ankündigt.

In rasanten Schnitten zeigt diese erste Episode, wie unermüdlich Roger Ailes fortan daran arbeitet, nicht nur einen Fernsehsender aufzubauen, sondern zugleich seine Macht in diesem zu etablieren – was sowohl aufschlussreich als auch äußerst spannend erzählt wird. Da nach Meinung des gern Beleidigungen speienden Ailes‘ noch zu viele „Kängurus“ im Sender tätig sind (womit er die von Murdoch eingestellten, gemäßigten australischen Fernsehmacher meint), heuert er seine Vertrauten aus CNBC-Zeiten an, darunter Brian Lewis (Seth MacFarland) als Public-Relations-Manager. Einen wichtigen Grundstein legt Ailes zudem in der Diskussion um die Zielgruppe von Fox News: Kabelfernsehen sei ein Nischenmarkt, es nütze nichts, auf Massenappeal zu schielen. Vielmehr müsse man die vernachlässigte Zuschauerschaft gewinnen: Konservative. „Die letzten 50 Jahre hat die linke Seite der Politik in diesem Land versucht, den Tenor der Nachrichten zu kontrollieren. Sie haben versucht, Amerika eine große Bevormundungsregierungsagenda aufzuzwängen. Und was erzeugt das? Das erzeugt Möglichkeiten“, erklärt ein aufgebrachter Ailes in einem um vier Uhr morgens anberaumten Treffen seinem Team, aus dem er gerade ein paar Unbeugsame entlassen hat.

Wie spaltet man eine Nation?

Ob US-amerikanische Medien tatsächlich seit jeher mehrheitlich linksliberal eingestellt sind und über konservative Politik unobjektiv berichten, wie Ailes behauptet, ist eine viel diskutierte Frage unter Medienwissenschaftlern. The Loudest Voice vermeidet es, auf Ailes‘ Vorannahme einer linksliberal gesinnten Presse einzugehen – leider. Stattdessen konzentrieren sich die weiteren Episoden auf den fragwürdigen Siegeszug von Fox News und Shermans These einer damit einhergehenden gesellschaftlichen Spaltung.

Dieser Siegeszug setzt mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein, deren Auswirkungen auf Fox News die zweite Episode zeigt. Noch bevor der erste der Twin Towers einstürzt, fordert Ailes in der Redaktionskonferenz, dass ein „America at War“-Schriftzug die Fox-Nachrichten unterlegen soll. The Loudest Voice stellt dies als schicksalhaften Tag dar, der Ailes noch tiefer in die Paranoia stürzen und die künftigen Leitlinien von Fox News bestimmen soll: Von seinen verunsicherten Mitarbeitern fordert Ailes, sich fortan dem Glauben an einen Krieg zwischen Gut und Böse und dem Credo „American Values first!“ zu verschreiben.

Weil Ailes es so will, so stellt es The Loudest Voice dar, rückt Fox News fortan noch stärker von dem Anschein der Berichterstattung ab und wendet sich der agitierenden Einflussnahme zu: „Wir müssen die Nachrichten steuern, nicht nur berichten.“ Der Schlüssel zu dieser Beeinflussung liegt für Ailes weniger in der reinen Darlegung von Fakten oder Meinungen, sondern vielmehr in der Art der Vermittlung – diese müsse auf eine Emotionalisierung des Publikums abzielen, wie er dem konservativen Jungjournalisten Joe Lindsley (Emory Cohen) verrät: „Wenn Sie denen sagen, was sie denken sollen, haben Sie sie verloren. Aber wenn Sie denen sagen, wie sie sich fühlen sollen, gehören sie Ihnen.“

In der Serie wie in der Realität erschuf Ailes‘ Taktik eine bis heute äußerst einträgliche Empörungsdauerschleife auf Fox News, die George W. Bushs „War on Terror“ mit diversen Meinungsformaten unterstützte. Dies ließ den Sender schon 2002 zum Quotenführer aufsteigen – der er auch blieb, nachdem der Demokrat Barack Obama zum US-Präsidenten gewählt wurde. Dies war eine bittere Zeit für Ailes, der sich gleich drei Episoden in The Loudest Voice widmen. Es ist aber auch der Ausgangspunkt für Ailes‘ Bemühungen um Donald Trump, in dem er gerade wegen seiner emotionalisierenden Wirkmacht einen Sieg verheißenden Kandidaten für die Republikaner sieht: „Unsere Zuschauer lieben ihn und der Rest liebt es, ihn zu hassen.“

Eine Karriere zwischen Medien und Politik

Ailes‘ machiavellistisch motiviertes Medienschaffen und seine Ausgestaltung von Fox News sind das Spannendste, was The Loudest Voice zu erzählen hat. Zugleich fühlten sich die Serienmacher verständlicherweise dazu verpflichtet, die Belästigungsvorwürfe gegen Ailes in diese Erzählung von der ersten Episode an einzuflechten und ihn auch als Privatmensch zu zeigen. So ist Ailes hier nicht nur als zunehmend von Wut, Paranoia und Xenophobie getriebener Fernsehproduzent, sondern auch als sexuell übergriffiger Heuchler zu sehen, der junge Moderationsanwärterinnen belästigt, während er mit seiner Ehefrau Beth (auch bis zur Unkenntlichkeit maskiert: Sienna Miller) nach außen christlich-konservative Werte vertritt.

Viele Serienkritiker beanstandeten, dass der von Russel Crowe so abstoßend verkörperte Ailes in dieser Entstehungsgeschichte um Fox News damit zu viel Raum einnimmt. Doch letzten Endes beruht The Loudest Voice auf einer Biografie zur Person Roger Ailes und zeigt in jeder Episode auf, wie eng Fox News an diese Person gekoppelt ist. Das Problem der Serie ist vielmehr, dass sie aufgrund ihres zeitlichen Fokus auf Ailes‘ späte Jahre (1996 – 2016) kaum preisgibt, wie vertraut Ailes mit der Verschränkung von medialem und politischem Wirken war. So wird Ailes‘ Vergangenheit als Medienstratege von drei republikanischen US-Präsidenten (Richard Nixon, Ronald Reagan, George H. W. Bush) hier kaum beleuchtet.

Wer aber diese in Alexis Blooms sehenswertem Dokumentarfilm Sex, Trump & Fox News (2018) eindrucksvoll dargelegte Vergangenheit von Roger Ailes betrachtet, dem offenbart sich nicht nur eine weitaus komplexere Persönlichkeit, als sie The Loudest Voice erfasst. Die Verzahnung von Medien und Politik in Ailes‘ Karriere war weitreichend und sorgte nicht nur dafür, dass Fox News zu einem wirksamen politischen Werkzeug der Republikaner wurde. Dem Medienwissenschaftler David Greenberg zufolge half Ailes damit auch, den amerikanischen Konservatismus maßgeblich umzuformen.

Alleinige Verantwortung?

Wenn Fox News also quasi nach dem Willen von Roger Ailes geformt wurde, wie es The Loudest Voice nachvollziehbar darstellt, und diese als Fernsehnachrichtensender getarnte Propagandamaschine für die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft verantwortlich zu machen ist, wie es häufig heißt, bleibt die Frage: Warum scheint auch Jahre nach Ailes‘ Tod die Stimmung in den USA so angespannt? Ist dies nur der Fortführung von Ailes‘ Ansinnen während der Präsidentschaft von Donald Trump anzulasten? The Loudest Voice legt dies in der letzten Episode nahe, die Ailes‘ erzwungenen Abgang von Fox News 2016 Trumps Kür zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten entgegensetzt. Doch diese Diagnose greift zu kurz.

Überhaupt gerät im Verlauf der sieben Episoden von The Loudest Voice immer wieder in Vergessenheit, dass dieser Sender doch eigentlich dem Medienmogul Rupert Murdoch gehört. Dieser wundert sich hier lediglich hin und wieder über Ailes‘ Kampflust, lässt ihn aber gewähren, solange die Quoten steigen. Eine nähere Erkundung der Verantwortlichkeit des Geschäftsmanns Murdoch spart die Serie aus.

Ebenso fehlt der Blick auf die übrige Medienlandschaft in den USA, in der sich auch außerhalb von Ailes‘ Agieren ein zunehmend subjektiver Journalismus durchzusetzen scheint. So stellte 2019 eine viel zitierte Studie der RAND Corporation fest, die Nachrichteninhalte hätten sich seit Aufkommen der „neuen“ Medien „von einer eher objektiven, ereignis- und kontextbasierten Berichterstattung hin zu einer Berichterstattung verlagert, die subjektiver ist, sich stärker auf Argumentation und Befürwortung stützt und mehr emotionale Appelle enthält“.

In diesem Licht erscheint Ailes‘ politisch einflussreiches Medienschaffen keinesfalls weniger bedeutsam oder zerstörerisch. Aber es wird in eine weit umfassendere mediale Entwicklung eingebettet, die The Loudest Voice durch den strengen Fokus auf Ailes als Unruhestifter kaum überblicken kann.

The Loudest Voice
USA 2019
Serie, 7 Episoden à 45-50 Min.
Idee: Tom McCarthy, Alex Metcalf
Regie: Kari Skogland, Jeremy Podeswa, Stephen Frears Scott Z. Burns
Kamera: Eigil Bryld, William Rexer
Besetzung: Russell Crowe, Seth MacFarlane, Sienna Miller, Simon McBurney, Annabelle Wallis, Aleksa Palladino, Naomi Watts
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=tYQXk-rzs_o

Titelillustration: Esther Schaarhüls

Das Magazin Fachjournalist ist eine Publikation des Deutschen Fachjournalisten-Verbands (DFJV).

Dobrila_KonticDobrila Kontić, M.A., studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften, Englische Philologie und Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin und Journalismus am Deutschen Journalistenkolleg (DJK). Sie betreibt das Onlinemagazin culturshock.de.

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